20.09.2018: Mobilität der Zukunft: Ein „Milliarden-Markt“ für neue Verkehrskonzepte – aber was will und braucht der Nutzer?
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Die Intensivierung von Verkehrsaufkommen und Beförderungsbedarfen - insb. in Großstädten - bringen den heutigen Personenverkehr an seine Grenzen und erfordern innovative Mobilitätslösungen.
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Shared-Mobility-Konzepte wie Ride Hailing und Car Sharing wird – insb. wenn autonom verfügbar – ein starkes Wachstum auf Kosten des privaten Automobils zugetraut
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Innovative Verkehrskonzepte wie z.B. über 1.000 km/h schnelle unterirdische „Hyperloop“-Kapseln oder autonom fliegende „Drohnen-Taxis" wurden bis vor kurzem noch als „Science Fiction“ eingeordnet, voraussichtlich aber bereits im kommenden Jahrzehnt massenmarkttaugliche Realität.
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Neuen Mobilitätskonzepten wird von unterschiedlichen Seiten ein Multi-Milliarden-Potenzial bescheinigt; das Involvement großer Player aus heutigen Mobilitätsbranchen, von Technologieriesen wie Google oder Apple sowie div. Startups mit großen Finanzierungsvolumina unterstreicht die Glaubwürdigkeit dieser Zukunftsszenarien.
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Aktuell werden innovative Mobilitätsangebote primär Technologie-getrieben betrachtet; wirtschaftlich etablieren werden sich solche Konzepte jedoch nur, wenn sie aus Nutzersicht klare Vorteile bieten, einfach (und intermodal) nutzbar sind und ein gutes Preis-Leistungsverhältnis bieten. Die genaue Kenntnis von segmentspezifischen Kundenbedürfnissen ist somit der Schlüssel zu passgenauen und erfolgreich ausdifferenzierten Mobilitätsangeboten im B2B- und B2C-Premium- und Massenmarktbereich.
MÜNCHEN, 20.09.2018 | Staus, Schadstoffausstoß, Fahrverbote – die heute noch vom Individualverkehr dominierte Mobilität wird sich in mittelbarer Zukunft sehr stark verändern. Die Gesetzgebung setzt immer schärfere Schadstoffgrenzen und überwacht zunehmend deren Einhaltung, die Einstellungen der Gesellschaft in Bezug auf Automobil und Mobilität ändern sich bereits spürbar. Seit geraumer Zeit konzipieren und testen nicht nur Autohersteller alternative Mobilitätskonzepte, sondern auch bisher branchenfremde Player wie Google, Apple oder Airbus. Darüber hinaus drängen gänzlich neue Unternehmen in den Markt, teilweise gegen, teilweise gemeinsam mit den bisherigen „Platzhirschen“.
Elektromobilität, „Shared mobility“, autonomes Fahren, „Hyperloops“ oder Drohnentaxis: Die technische Entwicklung liefert vielversprechende innovative Ansätze, um den Personen- (und auch Güter-) Verkehr zu revolutionieren; Experten prognostizieren ein weltweites Volumen von mehreren Hundert Milliarden Euro. Bei diesen Diskussionen steht jedoch oftmals das technisch Machbare im Vordergrund – letzten Endes entscheidet allerdings der Nutzer, welches Transportmittel er für welche Zwecke nutzt, welche Barrieren bzw. Treiber damit verbunden sind und wie viel er bereit ist, zu zahlen. Der Mensch muss somit in den Mittelpunkt gestellt werden und es muss aus Nutzersicht ein möglichst überzeugendes und bezahlbares Gesamtkonzept angeboten werden, damit sich die neuen Mobilitätskonzepte durchsetzen und somit auch aus Anbietersicht lohnenswert sind. Die Unternehmen, die das technisch Machbare mit dem Kundennutzen verbinden, werden sich mittel- und langfristig durchsetzen.
Städtewachstum und Umweltschutz erfordern neue Verkehrskonzepte
Der Mobilitätsmarkt steht nicht allein aufgrund seiner Wortherkunft für Bewegung. Die Strategie- und Marktforschungsberatung mm customer strategy erwartet bis zum Jahr 2030 weltweit einen signifikanten Wandel der Marktstrukturen, der sich zuvorderst in Megastädten in Asien und Amerika sowie in den großen Metropolen Europas niederschlagen wird. Treiber dieses Wandels sind die zunehmende Urbanisierung mit einem stetig ansteigenden „innermetropolischen“ Beförderungsbedarf mit daraus resultierenden Belastungen bzgl. Schadstoffausstoß und Stau. Im Jahr 2017 verbrachten Autofahrer in München 51 Stunden pro Jahr im Stau, in Hamburg und Berlin 44 Stunden, was Zuwächsen von 5-10% im Vergleich zum Vorjahr entspricht [1]. Schon jetzt sind in einer Metropole wie London die Autos mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 16 km/h nicht mehr schneller als Fahrradfahrer.
Schreibt man das Wachstum der Personenkilometer (Pkm) in Deutschland im Zeitraum von 2008 bis 2017 fort, ist zukünftig mit einer weiteren Zunahme des Verkehrs zu rechnen. So stieg die Zahl der zurückgelegten Pkm in den Stadtregionen jährlich um ca. 1,7%, in Metropolregionen sogar um 2,4% [2]. Bis zum Jahr 2030 wird das Verkehrsaufkommen in deutschen Metropolregionen den Stand von 2017 voraussichtlich um mehr als ein Drittel übersteigen und auf ein Rekordhoch von mehr als 800 Millionen Pkm pro Tag angewachsen sein. Die Folge ist eine zunehmende Überlastung der Straßennetze und damit auch eine Verlangsamung der Fortbewegung, sofern das Auto im heutigen Umfang weitergenutzt wird.
Auch die Luftverschmutzung und die daraus folgenden (weltweit diskutierten und teilweise bereits eingeführten) Fahrverbote zwingen die Menschen zu Änderungen in ihrem Mobilitäts- und Kaufverhalten, sei es die Abkehr vom Dieselmotor oder eine stärkere Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel bzw. von Car-Sharing-Angeboten.
Bereits heute lässt sich in einer Metropolregion wie London beobachten, dass der individuelle Pkw-Verkehr seit Jahren stagniert oder leicht zurückgeht, während das gesamte Verkehrsaufkommen kontinuierlich zunimmt, was neben der zuvor beschriebenen Stauproblematik auch auf die oftmals immer besser ausgebauten Netze des öffentlichen Personenverkehrs zurückzuführen ist. So ist bspw. der Anteil der in Privat-Pkw zurückgelegten Fahrten in der britischen Hauptstadt zwischen 1996 und 2016 von 48% auf 36% stetig gesunken [3]. Neben den etablierten öffentlichen Verkehrsmitteln werden zukünftig aber auch alternative, innovative Mobilitätskonzepte das Bild des Personenverkehrs insb. in Metropolregionen prägen.
Shared-Mobility-Konzepte als Lösungsansatz zur effizienteren Straßennutzung
Eine Möglichkeit, dem steigenden Verkehrsaufkommen zu begegnen, ist die effizientere Nutzung vorhandener Infrastruktur, insbesondere des innerstädtischen Straßennetzes. Ansätze aus dem Bereich der geteilten Mobilität setzen, unterstützt von der abnehmenden Bedeutung des eigenen Autos als Statussymbol in der „Generation Y“ und „Generation Z“ [4], darauf, die Anzahl der Verkehrsteilnehmer je Kfz zu erhöhen und somit die Zahl der benötigten Verkehrsmittel zu verringern.
Ride-Hailing, eine mögliche Ausprägung geteilter Mobilität, ermöglicht es, z.B. über eine App, Mitfahrten in privaten Pkws zu buchen. In Deutschland wird diese, kommerziell betriebene, Form von Shared Mobility durch die gesetzlichen Regelungen zur Personenbeförderung stark erschwert. Deutschland ist daher ein schwieriger Markt für Anbieter; andernorts erfreuen sich jedoch Dienste wie Uber, Lyft und DiDi steigender Nutzerzahlen. Weltweit werden 2018 Umsätze von bereits 54 Milliarden Euro erwartet, ein Plus von fast 80% innerhalb der letzten zwei Jahre [5]. Ob Ride-Hailing jedoch wirklich dazu führt, die Pkw-Dichte zu verringern und somit die Stauproblematik zu lösen, ist aktuell zumindest fragwürdig. So können sich über 90% der amerikanischen Ride-Hailing-Nutzer gegenwärtig nicht vorstellen, ihre Autos abzuschaffen bzw. auf Neuanschaffungen zu verzichten. Vielmehr werden bislang Fahrten mit Taxis oder den öffentlichen Verkehrsmitteln durch diese Dienste substituiert [6]. Erweiterte gewerbliche Ride-Sharing-Ansätze wie Uber POOL, CleverShuttle oder MOIA schließen die Lücke zwischen individuellen Punkt-zu-Punkt-Fahrten mit Taxis und dem öffentlichen Personennahverkehr mit festen Routen, Haltestellen und Fahrplänen: Fahrgäste mit ähnlichen Routen werden zu einer Fahrgemeinschaft zusammengefasst und an virtuellen Haltepunkten entlang ständig neu berechneter individueller Routen abgeholt bzw. abgesetzt. Eine wissenschaftliche Studie prognostiziert, dass Ride-Sharing-Dienste die Zahl der Pkws in Metropolen wie Paris bis 2030 um ca. 23% reduzieren könnten [7]. Damit das gesamte prognostizierte Potenzial tatsächlich realisiert werden kann, ist ein tiefgreifendes Verständnis der Nutzer jedoch Grundvoraussetzung: „Ride-Sharing-Anbieter müssen verstehen, welche Bedürfnisse und Nutzenaspekte die Menschen durch Ride-Sharing befriedigen und welche nur unzureichend adressiert sind. Nur wenn man dort ansetzt, kann es gelingen, auch die Pkw-Nutzung zu substituieren, was auch für die gesellschaftliche und politische Akzeptanz von Uber & Co. sicher hilfreich sein wird“, so Dr. Christian Nowack, Berater bei mm customer strategy.
Ein weiterer Ansatz ist das Car Sharing, bei welchem Pkws direkt von einem kommerziellen Dienstleister gemietet und nach der Nutzung in einem definierten Areal wieder abgestellt werden können. Die Etablierung von Car-Sharing-Diensten hängt hierbei maßgeblich mit der Fahrzeugabdeckung und der daraus resultierenden „ersten Meile“ der Kunden zusammen. So kündigten BMW und Daimler im März 2018 an, ihre Plattformen DriveNow und Car2Go zu fusionieren, um unter anderem die Abdeckung verfügbarer Fahrzeuge zu erhöhen; auch Volkswagen hat den, ausschließlich mit elektrisch angetriebenen Fahrzeugen geplanten, Einstieg in den Markt mit WeShare für 2019 angekündigt. Weitere Unternehmen wie z.B. Autovermieter planen flächendeckende free-floating-Angebote mit unterschiedlichen Mietkonzepten und Bezahlmodellen, um unterschiedliche Nutzergruppen anzusprechen sowie neue Kunden zu gewinnen, denen das klassische Vermietgeschäft zu teuer bzw. zu unflexibel ist. Auch wenn DriveNow, Car2Go, Flinkster & Co schon seit Jahren aktiv sind, ist die aktuelle Nutzung ernüchternd: Im Jahr 2017 nutzten in deutschen Stadtgebieten weniger als 1% der Verkehrsteilnehmer zumindest wöchentlich Car Sharing, in ländlichen Regionen ist Car Sharing völlig bedeutungslos [2]. Aktuelle Fallstudien rechnen jedoch mit einem stetigen Anwachsen der Bedeutung von Car Sharing insb. in prosperierenden Metropolen wie London, Shanghai oder Singapur, wo der Car-Sharing-Anteil an den mit Pkw zurückgelegten Personenkilometern bis zum Jahr 2030 denjenigen privater Kfz übersteigen wird [8]. Insb. autonom fahrende Robo-Taxen und -Shuttles, die vom Fahrgast wie ein heutiges Taxi gerufen werden können und ihn ohne Parkplatzsuche am Zielort absetzen, sich eigenständig aufladen / betanken und bei Bedarf zur Wartung bzw. Reparatur autonom zu einem zentralen Betriebshof fahren, werden die Nachfrage mit deutlich günstigeren und z.T. flexibleren Konzepten als heute denkbar deutlich steigern. Doch auch hierfür bedarf es eines detaillierten Verständnisses von Kundenbedürfnissen, -erwartungen und ‑barrieren, um eine erfolgreiche Verbreitung des Angebots, auch vor dem Hintergrund der aktuellen Zurückhaltung der Nutzer, zu erreichen.
Hyperloops und Drohnentaxis ermöglichen intensivierte Nutzung alternativen Raums
Neben der Reduktion des Verkehrsaufkommens auf den Straßen stellt das Ausweichen auf bislang weniger intensiv genutzte Verkehrsräume einen weiteren Lösungsansatz dar. Während die genannten Shared-Mobility-Konzepte die Nutzung von Automobilen verändern und damit innerhalb einer bestehenden Rahmentechnologie und des bestehenden Verkehrsbilds bleiben, gehen andere Konzepte neue, an „Science Fiction“ erinnernde, Wege und tragen den unterirdischen Verkehr in die Ferndistanz und den Luftverkehr in den städtischen Raum.
Innerorts sind U-Bahn-Netze seit Dekaden essentieller Bestandteil des öffentlichen Personenverkehrs vieler Metropolen. Unternehmen wie Virgin Hyperloop One und die Boring Company von CEO Elon Musk planen, zukünftig auch den Verkehr zwischen Städten unter die Erde zu verlagern. Ihre „Hyperloop“-Konzepte erreichen in Testläufen bereits heute Spitzengeschwindigkeiten von über 350 km/h; perspektivisch werden über 1.000 km/h angestrebt. Hierdurch werden Hyperloops hinsichtlich der Reisegeschwindigkeit potenzielle Konkurrenten für den nationalen Zug- und Flugverkehr.
Unbemannte Senkrechtstarter, sogenannte VTOLs (vertical take-off and landing), sollen ab 2025 auch den Luftraum über den Metropolregionen weiter für den Personenverkehr erschließen. Diese sollen perspektivisch ca. zehnmal günstiger als bemannte Helikopter und ab Strecken von mehr als 20 Kilometern deutlich schneller als der motorisierte Individualverkehr sein [9]. Der Münchner VTOL-Entwickler Lilium geht am Beispiel New York sogar davon aus, dass sich durch sein Drohnentaxi die Reisezeit vom Flughafen JFK nach Manhattan (ca. 20 km) gegenüber einem konventionellen Taxi von heute 55 auf 5 Minuten verringern lässt. Mittelfristig solch ein Flug mit 13 Dollar sogar deutlich günstiger sein als heutige Taxis und somit für eine breitere Masse erschwinglich. VTOLs könnten somit nicht nur Premiumdienste wie Helikoptertaxis, sondern auch klassische Taxifahrten, privaten Pkw- und sogar den öffentlichen Personenverkehr kannibalisieren. Wenn alle infrastrukturellen, rechtlichen, technologischen und sozialen Voraussetzungen erfüllt sind, gehen Studien für das Jahr 2030 bereits von einem Marktvolumen für VTOLs von mehreren hundert Milliarden US-Dollar aus [10].
Kernvoraussetzungen sind, neben den gesetzlichen Rahmenbedingungen (z.B. Überflugberechtigungen bzw. -verbote) und einer effektiveren und effizienteren Luftraumüberwachung die Schaffung von dezentralen Start- und Landeplätzen mit guter intermodaler Verkehrsanbindung sowie schnellen Abfertigungskonzepten für Passagiere und Güter. Auch die Technologie selbst erfordert bis zur Marktreife noch weiteren Forschungs- und Entwicklungsaufwand. Ebenso muss sichergestellt werden, dass die bloße Anzahl an Flugtaxis in der Luft und der dadurch verursachte Geräuschpegel nicht zum Störfaktor für die Bewohner werden. Ausreichend Risikokapital sollte jedoch vorhanden sein, denn die Idee des autonomen Luftverkehrs motiviert zahlreiche finanzkräftige Unternehmen zum Markteintritt. Airbus und Kitty Hawk entwickelten mit dem Vahana und Cora vollständig elektrische Prototypen. Die VTOL-Konzepte von Volocopter (2X), Workhorse (SureFly) und Ehang (184) wurden bereits in bemannten Testflügen erprobt. Auch Uber plant mit seinem eigenen Konzept Elevate in den Markt der vertikalen Mobilität einzusteigen.
Verkehr der Zukunft: Gesamtkonzept im Zusammenspiel verschiedener Verkehrsmittel
Die Mobilität von Morgen wird einzelne Verkehrsmittel nicht mehr als Insellösungen verstehen. Die für den individuellen Verkehrsteilnehmer beste Lösung beschränkt sich nicht zwangsläufig auf ein einzelnes Verkehrsmittel, sondern erfordert eine effiziente Verknüpfung aller verfügbaren Angebote für die kombinierte Nutzung. Eine Studie von mm customer strategy zeigte bereits 2015 auf, dass Nutzer von Car-Sharing-Angeboten ihre Nutzung dieser Dienste zukünftig sehr viel stärker sowohl mit dem ÖPNV, als auch dem Regional- und Fernverkehr (Fernbusse, Bahn, Flugverkehr) kombinieren wollen [11]. Bereits heute versuchen Anbieter wie Google, Blancride, Moovel und Quixxit eine Schnittstellenfunktion zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln einzunehmen. Zusätzlich bietet die existierende Infrastruktur den idealen Nährboden für zukünftige Mobilitätskonzepte. Vom Straßenverkehr unabhängige Verkehrsmittel wie U-Bahnen bieten zuverlässige Lösungen für die Anknüpfung neuer Transportangebote an die erste und letzte Meile des Nutzers. Doch auch der individuelle Verkehr auf der Straße wird stärker mit neuen Alternativen verknüpft werden. So sollen z.B. unterirdische Hyperloops die Möglichkeit bieten, an definierten Knotenpunkten z.B. Pkws oder Transportkapseln für Personen und Güter aufzunehmen und so die Straßen zu entlasten. Pop.Up, ein Kooperationsprojekt von Airbus, Audi und Italdesign, soll nahtlose intermodale Mobilität ohne Umsteigen ermöglichen: Eine Kapsel zum Transport von Personen (oder Gütern) soll auf ein straßentaugliches Bodenmodul („Skateboard“) aufgesetzt, von einem VTOL-Modul für den Lufttransport aufgenommen oder auch auf einem Zug oder Hyperloop befördert werden können und dabei vollständig autonom agieren. Aus Nutzersicht könnte dieses System wie folgt funktionieren: Der Passagier bucht mittels Smartphone-App eine bestimmte Strecke, z.B. von seinem Haus im Vorort einer Großstadt zum Flughafen. Das Buchungssystem schlägt nun verschiedene Transportalternativen mit unterschiedlichem Zeitbedarf, Verkehrsmitteln und Kosten vor, z.B. eine individuelle Abholung mit der Kapsel auf dem Straßenmodul von zu Hause mit minimaler Wartezeit, Fahrt zu einem „Voloport“ (dezentraler Mini-Flughafen für Taxidrohnen) und von dort Flug zum Flughafen und Absetzen auf dem Terminal mit dem kürzesten Weg zum Flugsteig, ohne beim Umsteigen die Kapsel zu verlassen. Oder als günstigere Ride-Hailing-Alternative: Abholung an der nächstgrößeren Straßenkreuzung in 500m Entfernung bei einer Wartezeit von 15 Minuten mit dem Straßenmodul, gemeinsame Fahrt mit anderen Passagieren zum Regionalbahnhof, dort Umsetzen der Kapsel auf den Zug und Fahrt zum Flughafenbahnhof mit anschließendem Fußmarsch zum Gate.
Plattformen als singuläre Schnittstelle zum Nutzer vereinigen das vielfältigere Angebot
Dieses Szenario ist noch in weiter Ferne, macht aber eines deutlich: Bei zunehmenden multimodalen Mobilitätsangeboten sollte die Zahl der nutzerseitigen Schnittstellen abnehmen, damit der Nutzer aufgrund der exponentiell steigenden Komplexität der verschiedenen Angebote überhaupt in der Lage ist, diese in seinem Alltag zu nutzen. Somit werden Nutzer vermehrt mit einzelnen Plattformen und weniger mit individuellen Anbietern einzelner isolierter Mobilitätsangebote interagieren, um unter Berücksichtigung aller verfügbaren Lösungen die aus individueller Sicht unter Berücksichtigung von Kosten, Zeit und Komfort beste Verkehrsmittelkombination auswählen zu können. Anbieter im Mobilitätsmarkt von Morgen werden sich nicht auf die Herstellung von Fahrzeugen beschränken können, sondern müssen sich am Betrieb jener Plattformen und der Gestaltung eines ganzheitlichen Angebots inklusive Buchungs- und Abrechnungsdiensten beteiligen bzw. solche Plattformen selbst aufsetzen und Partnerschaften eingehen. Nur so können Hersteller im „Endszenario“ vermeiden, den Kontakt zu ihren Kunden zu verlieren und zu bloßen Lieferanten für Mobilitätsplattformen mit geringer eigener Differenzierung und Wertschöpfung degradiert zu werden.
Mobilität wird sich verändern – wer profitieren will, muss die Nutzer verstehen
Obgleich keine vollständige Abkehr vom Individualverkehr auf der Straße zu erwarten ist, können Shared-Mobility-Angebote, sowohl im Automobilbereich als auch bspw. mit Drohnentaxis, und deren multimodale Verzahnung das Mobilitätsangebot in Metropolregionen in den nächsten zwei Jahrzehnten grundlegend verändern. Konzepte und Möglichkeiten zu deren Ausgestaltung werden immer sicht- und greifbarer, während auch die öffentliche Diskussion immer mehr an Intensität und Konkretheit gewinnt. Mehrere Studien sagen diesen Mobilitätskonzepten ein enormes Marktpotenzial voraus.
Damit dies tatsächlich eintritt, müssen eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein: Neben rechtlichen, infrastrukturellen und technologischen Rahmenbedingungen werden nur diejenigen Anbieter langfristig erfolgreich sein, die – allein oder in Kooperation mit Partnern – ein möglichst umfassendes Mobilitätsportfolio anbieten und dieses so ausdifferenzieren bzw. fokussieren, dass die Bedürfnisse und Zahlungsbereitschaften bestimmter Kunden(segmente) ideal getroffen werden.
Dr. Markus Müller-Martini, Managing Partner von mm customer strategy, fasst zusammen: „Langfristig werden nicht die Unternehmen gewinnen, die primär Technologien beherrschen und immer bessere Fortbewegungsmittel herstellen. Unabhängig von der Firmenhistorie werden diejenigen Anbieter die Mobilitätsmärkte der Zukunft dominieren, die den (potenziellen) Kunden am besten verstehen und mit passgenauen Mobilitäts-Gesamtkonzepten bedienen. Dabei gibt es nicht den einen Nutzer, sondern vielschichtige gewerbliche und private Kundensegmente mit unterschiedlichen Nutzungsszenarien, Bedürfnissen, Präferenzen, Barrieren und Budgets. Mit zunehmender Komplexität auf der Angebotsseite ist somit eine klare Kundenorientierung und ein klares Kundenverständnis ein zentraler Erfolgsfaktor.“
Über mm customer strategy
Die inhabergeführte, global agierende Strategie- und Marktforschungsberatung mm customer strategy GmbH unterstützt das Top-Management internationaler Unternehmen bei der Erarbeitung kundenzentrierter Unternehmens- und Marketingstrategien auf Basis von quantitativen und qualitativen Marktforschungsstudien sowie Datenanalysen. Gemäß dem Motto „Customer science meets strategy“ ist mm customer strategy als eines der wenigen Professional Services-Unternehmen korporatives Mitglied sowohl im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU als auch im Berufsverband Deutscher Markt- und Sozialforscher (BVM).
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Quellen
[1] INRIX (2018). 2017 Traffic Scorecard – München bleibt Deutschlands Stauhauptstadt, Hamburg und Berlin holen auf. inrix.com/press-releases/scorecard-2017-ger/
[2] Institut für angewandte Sozialwissenschaft [infas] (2018). Mobilität in Deutschland 2017 (Kurzreport): Verkehrsaufkommen – Struktur – Trends.
[3] Greater London Authority (2017). Travel in London, report 10.
https://tfl.gov.uk/corporate/publications-and-reports/travel-in-london-reports.
[4] Center of Automotive Management (2018). Junge Generation und die Mobilität der Zukunft.
[5] Statista (2018). Statista Digital Market Outlook: Mobilitätsdienste.
[6] Clewlow, R. R., & Mishra, G. S. (2017). Disruptive Transportation: The Adoption, Utilization, and Impacts of Ride-Hailing in the United States. Institute of Transportation Studies, University of California, Research Report.
[7] Yin, B., Liu, L., Coulombel, N., & Viguié, V. (2018). Appraising the environmental benefits of ride-sharing: The Paris region case study. The Journal of Cleaner Production, 177, 888-898.
[8] McKinsey (2016). An integrated Perspective on the Future of Mobility.
[9] Porsche Consulting (2018). The Future of Vertical Mobility – Sizing the market for passenger, inspection, and goods services until 2035.
[10] Stirn, A. (2018). Abgehoben. Süddeutsche Zeitung, Ausgabe vom 18./19. August 2018.
[11] mm customer strategy (2015). Mobility Compass 2014: Carsharing – der große Durchbruch steht noch bevor: Endkunden-Studie von mm customer strategy und Berylls Strategy Advisors zur Situation von Carsharing aus Kundensicht.
Yvonne Martini
Yvonne Martini ist Gründungspartnerin und geschäftsführende Gesellschafterin von mm customer strategy GmbH. Zuvor war sie bei Roland Berger Strategy Consulting als Projektmanagerin tätig. Mehr»
Dr. Markus Müller-Martini
Dr. Müller-Martini ist Gründungspartner und geschäftsführender Gesellschafter von mm customer strategy GmbH. Vor mm customer strategy arbeitete er als Projektmanager bei Oliver Wyman. Mehr»